Franz Josef Radermacher zu „GO EcoSocial“„Go EcoSocial“ – Ideen für eine bessere Ökonomie

Die aktuelle Weltwirtschafts- und Weltfinanzkrise hat es gezeigt und es sollte mittlerweile jedem klar sein, dass das marktfundamentalistische Paradigma zur Organisation funktionierender Gesellschaften und Ökonomien genauso wenig geeignet ist wie Planwirtschaft und Kommunismus. Wir brauchen ein ganz anderes Modell, wenn wir einen zukunftsfähigen Globus wollen, auf dem die Menschen in Frieden mit der Natur und untereinander auf einem Niveau hoher Prosperität leben können.

 

Erforderlich ist es dazu, die Dynamik und Innovationskraft der Märkte im Schumpeter’schen Sinne mit einem konsequenten Umweltschutz und sozialem Ausgleich, vor allem im Sinne der Förderung der Partizipation aller Menschen, zu verbinden und das nicht nur in nationaler, sondern in weltweiter Perspektive.


Das hierfür geeignete Wirtschaftsmodell liegt vor. Es ist dies die Extension eines ordoliberalen Ansatzes auf den Globus in Form einer weltweiten ökologisch-sozial regulierten Marktwirtschaft, das Ökosoziale Marktmodell.


Fragt man, wieso dieses Modell in den letzten Jahren, gerade auch in der curricularen Ausgestaltung der Studiengänge der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten und der MBA-Studiengänge, eher eine bescheidene Rolle gespielt hat, dann stößt man auf die fast uneingeschränkte Dominanz des Marktfundamentalismus bzw. der Idee der freien Märkte. Diese weit ausdifferenzierte Ideenwelt hat einerseits fast Religionsersatzcharakter gewonnen, anderseits wurde sie so vermittelt, als handle es sich um Erkenntnisse von naturwissenschaftlicher Unumstößlichkeit.


Deutlich wird an dieser Stelle ein eklatantes Versagen der Wirtschaftswissenschaften in der Interpretation der aktuellen Verhältnisse. Unter dem Druck von Finanzierungszwängen wie den vielfältigen „Verführungen“ von Erfolg und Ehre, hat sich eine wissenschaftliche Disziplin in Teilen zum Claqueur einer kleinen, weltweit im Hintergrund operierenden und mächtigen Interessengruppe gemacht, die Regelsetzung im eigenen Interesse betrieb, „Plünderungen“ im großen Stil organisierte, und das alles entlang der Propaganda einer Leistungsorientierung und Leistungsgerechtigkeit, die sich in der Realität als eine Variante eines alten Musters entpuppte: Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste. Es handelt sich um Diebstahl an der Allgemeinheit in ungeheurem Umfang, aber so, dass kaum strafrechtliche Folgen drohen – eine Manifestation hoher systematischer Intelligenz.


Unsere Gesellschaft verfolgt jeden Ladendieb mit guter Begründung, aber nicht die vor und hinter den Kulissen operierenden Spitzenakteure im Weltfinanzsystem, die übrigens mittlerweile einen dominierenden Einfluss auf die Politik aller Staaten ausüben. Und die vor der Krise zum Teil noch Argumentationsmuster befördert haben von der Art, dass unsere sozialen Mindeststandards durchaus noch weiter abgesenkt werden könnten.


Die Wirtschaftswissenschaften brauchen dringend eine andere Orientierung. Das wird heute auch in einer Reihe von einschlägigen Fakultäten offen artikuliert. Dieser Teil der Wissenschaften darf jedenfalls nicht länger der wirkungsmächtige Transmissionsmechanismus sein, mit dem tausende junger Gehirne mit unzureichenden und teilweise falschen Theorien „gefüttert“ werden. Sie müssen vielmehr die Disziplin sein, mit der tausende junge Gehirne orientiert werden auf eine Art von Ökonomie, die zukunftsfähig ist, weltethischen Maßstäben gerecht wird und das verbindet mit einer hohen Wertschöpfung.


Das alles ist möglich, es bedarf dazu einer weltweiten Ökosozialen Marktwirtschaft (ökosozial statt marktradikal). Aber wie kommt man von der Einsicht zum Tun? Das ist schon deshalb schwierig, weil bisher nicht in ausreichendem Maße qualitativ hochwertige Materialien entsprechender pädagogischer bzw. curricularer Qualität zum Thema Ökosoziale Marktwirtschaft vorliegen – das war ja bisher kein großes Thema. Hier muss die Arbeit jetzt zügig beginnen. In diesem Kontext sind Masterarbeiten, aber durchaus auch Promotionen, Habilitationsschriften, Lehrbücher, Lehrmaterialien ein zentrales Thema.


Aus Sicht des Ökosozialen Forum Europa wie aus Sicht der Global Marshall Plan Initiative sowie auch aus Sicht des Club of Rome ist es sehr zu begrüßen, dass das Ökosoziale Studierendenforum in Österreich nun ein Masterarbeitenportal „Go EcoSocial“ eingerichtet hat. Das wird hoffentlich ein Nukleus sein für die Entwicklung entsprechender Portale auch in anderen Ländern, zugleich ein Nukleus auch für die Entwicklung entsprechender Plattformen in Bereichen höherer akademischer Qualifizierung. Es ist dies ein ganz wichtiger Schritt und eine exzellente Idee, der ich hiermit alles Gute wünsche und die ich zugleich gerne nach Kräften unterstützen werde.


Ulm, 03.12.2009


gez. F. J. Radermacher